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Alkohol als Volksdroge – ein seit langer Zeit bagatellisiertes Thema

Ratgeber aus der Kategorie Alkoholabhängigkeit

Die alkoholbedingten Krankheitskosten belaufen sich im Jahr 2020 auf 16,59 Milliarden Euro. Jährlich sterben in Deutschland über 40.000 Menschen als direkte Folge ihres Alkoholkonsums. In diesem Artikel erläutern wir Ihnen einige Aspekte und Blickwinkel in Bezug auf das Thema Alkohol.

„Glaube an das was du tust, verleugne dich nicht und bleibe selbstkritisch“. Ein Zitat von dem Schauspieler Eisi Gulp der seit 6 Jahren in dem Alkoholpräventionsprojekt „Hacke dicht – Schultour der Knappschaft“ mitwirkt. Mit dieser Aussage möchten wir Sie einstimmen die folgenden Ausführungen mit Interesse, Neugier und einer gesunden Portion Selbstkritik zu lesen.

Geschichte des Alkohols

Alkohol wurde erstmals im Steinzeitalter hergestellt und konsumiert. Damals fand hauptsächlich der Genuss von vergorenem Obst statt. Im alten Ägypten galt Alkohol als offizielles Zahlungsmittel. Schon damals schienen die negativen Wirkungen von Alkohol bekannt. So wurden bspw. Hieroglyphen gefunden auf denen Menschen die nach dem Genuss von Alkohol erbrechen müssen abgebildet sind.

Lange Zeit galt der durch Alkohol ausgelöste Rausch als Bewusstseinserweiternd und spirituell. Nicht nur religiöse Rituale wurden unter Alkoholeinfluss durchgeführt. Ab dem 13. Jahrhundert kam es dann im Zuge von neuen technischen Möglichkeiten in der Alkoholherstellung (Destillation) zu einem vermehrten Alkoholkonsum. Bier war zu diesem Zeitpunkt schon weitverbreitet und es war gängig auf Schlachtfesten in hohem Maße Bier auszuschenken und zu genießen.

Bereits um 1600 kam es zu ersten Alkoholverboten.

Im 18. Jahrhundert kam es dann erstmalig zu einer Differenzierung der alkoholtrinkenden Gesellschaft. Sucht wurde als soziales Phänomen wahrgenommen. Während der englische Adel sein Konsum als gesellschaftlich anerkannt und kultiviert erklärt hat und den Konsum mit Wohlstand, Gesundheit und Belohnung argumentierte, fand die arbeitende Bevölkerung Krankheit, Schwäche, Tod und Betäubung. Die Arbeitergesellschaft versank in einer „Gin-Epidemie“. Damals waren die Gefahren eines übermäßigen Alkoholkonsums aktueller denn je.

Die Regierungen versuchten mittels unterschiedlicher Alkoholverbote den Konsum und somit auch die volkswirtschaftlichen Folgen aufgrund von Krankheiten einzudämmen. Mit Werbeslogans wie: „Der trinkende Arbeiter denkt nicht, der denkende Arbeiter trinkt nicht.“ wurde versucht im Sinne einer Gesundheitserziehung zu argumentieren. Der wohl bekannteste Versuch der Eindämmung fand 1920 bis 1933 in den Vereinigten Staaten Amerikas mittels der dortigen Prohibition statt. In Skandinavien wurden zwischen 1920 und 1940 alkoholkranke Bürger zwangssterilisiert. Die Sucht wurde als gesellschaftsschädliches Anderssein empfunden. Eine Selektion – wenn nötig medizinisch – schien notwendig.

In Deutschland findet mit dem Jugendschutzgesetz und der eingeführten Promillegrenze am Steuer ein Versuch der Regierung statt, den Konsum einzuschränken.

Volksdroge Alkohol

Alkohol wird gerne als Volksdroge bezeichnet. Fast kein gesellschaftliches Ereignis kommt ohne Alkohol aus – Hochzeiten, Geburtstage, Trauerfeiern, berufliche Erfolge oder sportliche Grossereignisse. Alkohol gehört salopp gesagt einfach dazu.

Er wird in großem Stil öffentlich beworben. Das Werbeetat für alkoholische Getränke lag in Deutschland im Jahr 2021 bei 584 Millionen Euro. Alkohol kann überall und zu jeder Zeit gekauft und konsumiert werden. Er dient nicht nur der Entspannung, sondern ist gesellschaftlich vollumfänglich anerkannt. Der Genuss sorgt für Gemütlichkeit und Geselligkeit. Kaum einer würde sich den Aperol Spritz an einem sonnigen Samstagmittag um 13:00 Uhr mit Blick über den Gardasee verbieten lassen. Kaum einer würde etwas Komisches oder gar Falsches darin sehen. Der Konsum ist so alltäglich und normal wie der Gang zum nächsten Bäcker.

In einer so leistungsorientierten Gesellschaft wie der heutigen, in einer Gesellschaft, wo alles darauf ausgelegt ist optimiert und perfektioniert zu werden, scheint der schnelle, günstige, anerkannte Rausch ein gutes Ventil zu sein. Jeder kann dem Alltag für einen Moment entfliehen. Kann eine andere Ebene seiner/ ihrer selbst wahrnehmen und spürt für den Hauch eines Moments den Alltagsdruck auf den eigenen Schultern weniger oder gar nicht mehr. Dazu kommt noch ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Wird in einer Gruppe Alkohol getrunken, fallen diejenigen, die nur Wasser trinken, schnell auf. Auch in der Bar-und Ausgehszene gibt es jährliche alkoholische Trends. Sei es der Aperol Spritz der aus seiner verstaubten ´90-iger Zeit ein Revival erleben durfte, der Hugo der seit einigen Jahren die weibliche und oftmals junge Generation zufrieden stellt, oder der derzeit erneute Hype um die Spirituose Gin.

Von einem ungesunden Maß des Alkoholkonsums, sprich des Alkoholmissbrauchs, wird nur wenig geredet. Auch wenn jeder/ jede in seinem/ ihrem Bekanntenkreis mindestens eine:n benennen kann, den er/ sie selbst als suchtgefährdet oder alkoholsüchtig einstufen würde. Der Genuss ist stark in unserer Gesellschaft verankert und kultiviert.

Aktuelle Zahlen

  • 9 Millionen Menschen in Deutschland zwischen 18 und 64 Jahren konsumieren Alkohol in einem gefährlichen Maß
  • 97,1% der 18- bis 65-jährigen konsumieren regelmäßig Alkohol
  • nur 3,6% der Deutschen sind ein Leben lang Abstinent
  • etwa 19,3% der Frauen zwischen 45 und 65 Jahren mit einem geringen sozioökonomischen Status konsumieren regelmäßig riskante Mengen Alkohol
  • jedoch konsumieren 32,8% der Frauen mit einem hohen sozioökonomischen Status regelmäßig in riskanten Mengen Alkohol
  • jährlich kostet dem Staat der Alkoholkonsum seiner Bevölkerung 57,04 Milliarden Euro
  • 16,59 Milliarden Euro müssen direkt dem Gesundheitssystem zugeschrieben werden

Einfluss sozialer Faktoren auf den Missbrauch

Soziale Faktoren spielen in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität dem Missbrauch von Alkohol zu. Genannt sei an dieser Stelle neben dem Bildungsgrad, der gesellschaftlichen Anerkennung und dem sozialen Status auch die derzeit aktuelle Migrationsproblematik. Viele dieser Faktoren zeigen eine Wechselwirkung: weist bspw. ein Mensch einen geringen Bildungsgrad auf liegt die Annahme nahe, dass auch die finanziellen Ressourcen und die Anerkennung in der Gesellschaft gering sind – ein Teufelskreislauf der das Suchtpotenzial steigert.

Ebenfalls darf die Vorbildfunktion der Eltern und die unmittelbare soziale Umgebung bei der Entstehung eines Suchtproblems nicht vernachlässigt werden. Leben Eltern ihren Kindern ein ungesundes Leben vor, lernt ein Kind nicht was gesundes Verhalten ist. Zudem herrscht in einem (relativ) chancenungleichen Land wie Deutschland, immer auch die Macht der unzureichenden Förderung von Kindern. Kinder aus einem sozioökonomisch schwachen Elternhaus erlangen seltener eine Hochschulreife und gehen dementsprechend seltener studieren. Ein gewisser Lebensweg ist bereits mit der Geburt vordefiniert.

In mehreren empirischen Studien konnten die Wechselbeziehungen zwischen niedrigem sozialen Status und ein damit einhergehendes mangelndes Gesundheitsverhalten aufgezeigt werden. Hingegen ist die Datenlage bezüglich des Einflusses der schulischen Ausbildung indifferent. In einer Datenerhebung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) von 2014, sind kaum Schulformunterschiede auszumachen. Laut der Kinder- und Jugendgesundheitssurveys-Basiserhebung gibt es aber eindeutige Indikatoren, dass Schüler von Hauptschulen häufiger Alkohol konsumieren als Schüler eines Gymnasiums.

Relevant scheint in erster Linie nicht der Bildungsweg zu sein, sondern der soziale Status. Wie wichtig ist die eigene Person in unserem System? Wie gut integriert ist der Mensch und wie zufrieden ist er mit seinem erreichten sozioökonomischen Status?

Interessant ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen in Bezug auf Auswirkungen sozialer Faktoren auf den riskanten Konsum von Alkohol. Während vor allem sozial schwache Männer einen riskanten Konsum aufweisen, sind es in den bessergestellten sozialen Schichten eher die Frauen.

Arbeit und Beruf sind in Deutschland unverändert ein wichtiger Indikator für ein erfülltes und sinnvolles Leben. Arbeit ist sinnstiftend. Über Jahrhunderte hinweg war das männliche Geschlecht der Alleinverdiener in der Familie. Seine Macht und Daseinsberechtigung entstand durch die Gewissheit, dass die Familie ohne ihn nicht lebensfähig wäre. Kommt es nun zu Arbeitslosigkeit beispielsweise aufgrund mangelnder Bildung oder Migration (und dadurch schlechte Integration in die Gesellschaft samt Sprachbarrieren), erhöht sich die Suchtgefahr.

Der aktuelle Drogen- und Suchtbericht zeigt eine erhöhte Rate beim riskanten Konsum von Alkohol bei Frauen mit einem Hochschulabschluss. Dies könnte einem erhöhten Leitungsdruck im Job und dem Kampf um die eigene Daseinsberechtigung der Frau in Führungsebenen geschuldet sein. Soziale Faktoren prägen den Alkoholmissbrauch. Sei es die Bildung, die monetären Ressourcen, die Zufriedenheit aufgrund des eigenen sozialen Ansehens oder einem Zugehörigkeitsgefühl und damit verbunden ein Gefühl des Zwangs. Bei dem Versuch Alkoholmissbrauch zu verstehen und einzudämmen darf mitnichten dieser elementare Bereich vergessen werden.

Eine deutliche Reduzierung des Alkoholkonsums in der deutschen Bevölkerung ist zu registrieren. Alkohol wird unverändert gerne und oft getrunken, aber viel reflektierter und eher als Genuss- denn als Rauschmittel. Die Gefahren eines regelmäßigen Konsums sind bekannter als früher. Kampagnen wie „Kenn-dein-Limit“, „Alkohol? Weniger ist besser!“, Werbespots mit Schauspieler:innen, regelmäßige Sucht- und Drogenberichte und ein in der Gesellschaft ohnehin wachsendes Gesundheitsverständnis, haben dazu beigetragen. Alkohol wird nie vollumfänglich aus sozialen Events wie Hochzeiten und Geburtstagsfeiern wegzudenken sein. Wichtig scheint auch keine Verteuflung des Alkoholkonsums seitens der Politik, sondern eine breite Aufklärung über die Gefahren von Alkohol. Es sollte um Genuss gehen, nicht um den Rausch.

Quellenangaben

Kategorie

Alkoholabhängigkeit

Veröffentlichung

27.06.2023

Autor

Mondosano Redaktion

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