Am Rande des diesjährigen ECCMID-Kongress hat sich Mondosano aufgemacht, um mit einer in der Forschung tätigen Biologin zu sprechen. Wie wurde sie das was sie heute ist und an was für ein Projekt arbeitet sie gerade? Wir nehmen Sie gerne mit auf diese spannende Reise und vielleicht können wir Sie mit dem Fieber der Forschung infizieren.
Mondosano: Guten Tag Frau Dr. Babu. Sie arbeiten bereits seit einigen Jahren in der Forschung. Wie sind Sie dazu gekommen? Was war Ihr Ansporn?
Dr. Nithya Babu Rajendran: Hallo. Ich komme gebürtig aus Madurei in Indien, wo ich auch studiert habe. Ich war mir aber lange Zeit gar nicht sicher was ich eigentlich studieren möchte. Als Jugendliche ist mir dann klargeworden, dass ich auf jeden Fall etwas für die Gesellschaft tun möchte. Also etwas, dass für das soziale Miteinander wichtig ist. Ich habe daran gedacht ein Beamter zu werden und somit (m)einen Beitrag zu leisten Kindern eine Schulbildung, eine Ausbildung oder gar ein Studium finanzieren zu können – Bildung ist so wichtig und macht einen Menschen so frei und unabhängig. Einfach was sozial Wichtiges tun. Ich habe in der Zeit auch viele Fernsehbeiträge rund um das Thema Forschung gesehen. Und daheim habe ich immer wieder kleinere Experimente gemacht.
Was für Experimente waren das?
Experimente mit Pflanzen. Mein Vater hat mich bereits darin bestärkt zu Forschen. Er hat mir zum Geburtstag einen Baukasten geschenkt mit dem ich Experimente im Bereich der Photosynthese machen konnte. Da lag ein Studium der Biologie nahe. Ich wusste einfach, dass ich mit einem Studium der Biologie sowohl eine Forscherin sein konnte, als auch etwas sozial Wichtiges tun kann. Und genau das wollte ich ja immer. Ich wollte ins Labor und dort etwas erforschen und erfinden. Nach dem ich mein Bachelor und Master gemacht habe war es klar, dass ich auch noch promovieren muss. Denn ein Doktortitel ist fast unabdingbar in der Welt der Forschung. Nur damit ist man ein richtiger Wissenschaftler. Ich war gerade in Singapur als sich ein Stipendium des CIM-IMPRS Graduate Programm aufgetan hat. Mit dem Stipendium konnte ich mein PhD in Deutschland machen.
Was ist das für ein Stipendium?
Das Stipendium stellt eine Kooperation zwischen der Universität Münster und dem Max-Planck-Institut dar. Das ist beeindruckend und fantastisch. Das Geld aus dem Stipendium ist sowohl für die eigenen Forschungsprojekte gedacht, als auch für den Unterhalt des Stipendiaten. Es ist kein richtiges Gehalt, aber jeden Monat haben wir Geld bekommen und konnten damit unsere Forschungsidee vorantreiben. Wir waren fast völlig frei – einfach grandios.
Dieses Prinzip ermöglicht das Begehen von Wegen die noch nicht gegangen wurden. Frische Ideen, vielleicht auch Innovative sind möglich.
Absolut. Wir konnten zu unserem Chef gehen und sagen: Ich hätte gerne dieses oder jenes Laborutensil, weil ich gerne dieses oder jenes ausprobieren möchte. So etwas geht sonst eher nicht. Die Utensilien in einem derartigen Spitzenlabor sind einfach teuer – sehr teuer. Und allzu oft muss ein junger PhD-Student einfach das machen, was der eigene Chef gerne möchte.
Aktuell sind Sie in der Infektiologie tätig. Wie sind Sie in dieses Fachgebiet gekommen?
Ich wollte wie eingangs schon berichtet ja immer was sozial Wichtiges machen und dachte, der Kampf gegen Krankheiten oder desgleichen wäre genau das. In meinem Studium waren immer auch Module der Mikrobiologie enthalten (Grundlagen Mikrobiologie). Das war spannend und ich war fasziniert von Keimen und Erregern. Bakterien genauer zu verstehen und Experimente mit ihnen zu machen hat mir einfach eine neue Welt aufgezeigt und ich hatte wirklich viel Freude daran. Besonders die genetische Arbeit und das genetische Modifizieren von Bakterien war damals für mich unglaublich interessant. Sie müssen sich das nur mal vorstellen, man kann Bakterien so manipulieren, dass sie genau das tun was wir gerne hätten. So kann man Bakterien dahingehend verändern, dass sie Müll vernichten (es quasi fressen) – das gleicht Magie. Ich habe viele Vorträge zu diesem Thema gehört. Viele Vorträge wie wir unsere Umwelt verbessern, quasi gesünder machen können und natürlich auch die Bekämpfung von Krankheiten. Auch den Bereich der Immunologie fand ich äußerst spannend. Aber nochmals: in der Biologie ist es wichtig, dass alles was Du entdeckst und tust sowohl mittels in vitro Experimenten nachgewiesen werden kann als auch in invivo Experimenten. In vitro bedeutet, dass Du nur Grundlagenmaterialien nimmst wie z.B. die DNA und es in ein Bakterium steckst. So kannst Du z.B. auch humane DNA manipulieren. Wenn Du dann aber nachweisen möchtest, dass dein Thema der Forschung wirklich bedeutend und wichtig ist, dann musst Du es auch in vivo reproduzieren können. Also dein Experiment aus dem Labor sollte auch in einem Tier erfolgreich sein. Und mit Tieren kann ich einfach nicht arbeiten. Daher bin ich der Grundlagenforschung geblieben. Aber die Grundlagenforschung war eine Sackgasse für mich. Ich hatte irgendwann eine persönliche Krise weil ich gemerkt habe, dass meine Arbeit sich nicht direkt positiv auf die Gesellschaft auswirkt.
Verstehe. Der Weg von der Grundlagenforschung hinein zu einem gesellschaftlichen Nutzen ist einfach enorm lang. Er ist da, aber lang.
Richtig. Der Atem eines jeden Grundlagenforschers muss einfach sehr ausgiebig sein. Diese Geduld wollte ich nicht aufbringen und ich wollte auch nicht Teil dieses zähen Prozesses sein. Viele meiner Kommilitonen waren in einer ähnlichen Situation gefangen. Die Aussage war immer: „Vielleicht, vielleicht mal irgendwann macht unsere Arbeit den Unterschied.“. Dieses Vielleicht ist für viele einfach zu abstrakt.
Ich verstehe. Was genau machen Sie momentan?
Ich bin aktuell in der Epidemiologie im Bereich der Infektiologie tätig. Sprich, es geht hier um Ausbreitungsmuster von Keimen, Gefahren von multiresistenten Keimen auf der ganzen Welt etc. Vorher war ich jedoch in einem Labor tätig und habe dort im Bereich der molekularen Mikrobiologie gearbeitet. Beide Bereiche sind eng miteinander verbunden und wirken nur auf den ersten Blick gänzlich konträr zueinander. Es geht in beiden Bereichen um Bakterien und Antimicrobial Resistance – ein hochaktuelles und wichtiges Thema.
Wie schaut aktuell Ihr Alltag aus? An was für einem Projekt arbeiten Sie gerade?
Das Projekt heißt COMBACTE-MAGNET EPI-Net. Diese Namen sind immer sehr abstrakt und Außenstehende können sich nichts darunter vorstellen. Ich erkläre das daher mal kurz: also, wir haben auf der ganzen Welt ein großes Problem mit der Ausbreitung von multiresistenten Erregern. Um mit dieser Bedrohung adäquat umgehen zu können, werden aktuell viele unterschiedliche Wege gegangen – in Laboren entwickelt man neue Antibiotika, in einer Vielzahl klinischer Studien werden alternativ Wirkmechanismen gegen eine derartige Ausbreitung erforscht und dann gibt es noch uns. Also wir aus dem Team rund um COMBACTE-MAGNET EPI-Net. Unser Ziel ist es zu sehen, wie gut aktuelle Überwachungssysteme von multiresistenten Erregern funktionieren. So dass ein jedes Krankenhaus am Ende ein Überwachungssystem hat und dieses einsetzen kann. Nur wenn man Auffälligkeiten innerhalb einer kleinen Population frühzeitig entdeckt, kann man auch dagegen vorgehen. Aber wir möchten nicht nur, dass jedes Krankenhaus ein solches Überwachungssystem hat, sondern jede Region und jedes Land. Und diese Überwachungssysteme sollen dann miteinander kommunizieren können. Schaut man sich aktuell Europa als eine Einheit an, dann gibt es sehr viele Unterschiede in den Überwachungssystemen – Spanien überwacht anders als die Niederlande und Deutschland anders als Italien. Derartige Überwachungssystem sind aber wichtig um zu verstehen wie hoch der Anteil der Keimausbreitung in einer Gesellschaft aktuell ist. Darüber hinaus sind wir heutzutage alle reisefähig und reisefreudig. Heute arbeite ich noch in Deutschland und morgen in Italien. Diese Wanderung der Menschen verursacht natürlich auch eine Wanderung der Keime. Deshalb ist es wichtig zu wissen was für Probleme die aktuellen Nachbarländer haben. Denn über kurz oder lang werden deren Probleme auch zu unseren werden. Das Problem ist allerdings aktuell, dass die vorhandenen Systeme momentan noch nicht kompatibel miteinander sind. Jedes Land hat seine eigenen Prioritäten gesetzt und erfasst sie dementsprechend. Es macht aber Sinn ein System zu implementieren, dass für alle Länder funktioniert. Darüber hinaus sind die alten Systeme auch in einer Zeit entwickelt worden in der die Problematik noch eine ganz andere war. Außerdem wurden nicht immer alle Daten veröffentlich. Eine derartige Transparenz ist aber wichtig. Heute sind wir schlauer. Wir wissen, dass es sinnvoll ist Risikofaktoren zu ermitteln und das Outcome der Patienten nach einer Infektion zu erfassen. Aus derartigen Daten können wir lernen und künftige Risikogruppen definiere. COMBACTE-MAGNET EPI-Net macht all das. Wir recherchieren was es gab und gibt. Wir sammeln diese Daten und legen neue Standards fest.
Sie sprachen gerade von Transparenz. Ist in ihrem Bereich die Gefahr nicht groß, dass es ausschließlich eine Transparenz nach innen, sprich zu den Akteuren der Wissenschaft gibt aber nicht nach außen zu der Bevölkerung?
Diese Gefahr gibt es in der Tat. Aber auch da greift EPI-Net ein. Wir kooperieren mit fast allen EU-Ländern und entwickeln eine interaktive Website auf der man sich real time die Daten ansehen kann. Also kann sich jeder Bürger der dem Englischen mächtig ist sehen, wie die Lage in der gesamten EU just in diesem Moment aussieht. Wir müssen natürlich Werbung dafür machen. Nur so können Bürger und die Akteure des Gesundheitswesens davon wissen.
Wie schaffen wir es dann aber die Aufmerksamkeit der Bürger zu erhaschen und verständlich zu machen, dass die Gefahr der multiresistenten Keime uns alle betrifft. Und dass das Problem nicht alleinig in der Klinik sitzt?!
Eine gute und berechtigte Frage. Diese Awareness müssen wir schaffen – egal wie. Ich denke die Basis dafür muss in den Kliniken und den Arztpraxen erfolgen. Ärzte sind einfach gute Multiplikatoren. Es sollte im besten Fall eine Aufklärung aller werden – Patient, Bürgern, Arzt, Landwirt etc. Aber der Fokus liegt in einem ersten Schritt bei den Ärzten. Für viele Bürger ist das Antibiotikum noch immer die schnelle und rasche Lösung für fast alles. Dieser Trugschluss muss widerlegt werden – gegen eine Grippe hilft ja z.B. auch kein Antibiotikum.
Sollte die Presse nicht aber auch aktiv werden und informieren?
Ja. Dies aber neutral und in allen Richtungen. Es geht nicht nur darum einen Schuldigen zu finden und zu bestimmen (mit Vorliebe die Kliniken), sondern allumfassend zu informieren. Große Organisationen wie z.B. die WHO nehmen sich dem gerade an. Sie klären auf und informieren. Hier auf dem ECCMID wurde vorhin z.B. ein neuer Standard für die Handhygiene von der ECDC vorgestellt. Es ist doch aber schade, dass dieser neue Standard lediglich hier in Fachkreisen publik gemacht wird. Das sollte auch raus zu den Bürgern gehen. Zu Bürgern, die sich informieren wollen. Transparenz in alle Richtungen ist elementar. Dies auch gerne über die sozialen Medien wie Twitter und Facebook.
Dann geht die Arbeit von Mondosano ja schon mal in die richtige Richtung.
Ja, das geht sie (lächelt).
Wenn Sie 1,5 Mrd. € von der Bill-Gates-Stiftung erhalten würden und Sie könnten mit diesem Geld anfangen was Sie möchten, was wäre das?
Oh Gott. Das wäre fantastisch. Es gibt so viele Probleme auf der Welt und natürlich gehört Antimicrobial Resistance und alles was dazu gehört darein. Aber ich empfinde Krebs als ein aktuell viel größeres Problem. Diese Krankheit ist völlig außer Kontrolle. Es betrifft einfach zusehends jüngere Menschen und die Gründe dafür sind noch nicht eindeutig geklärt. Welche Faktoren unserer globalisierten, technischen und rasanten Zeit z.B. wirklich der Entstehung von Krebs zuspielen ist nicht vollumfänglich geklärt. Auch die therapeutischen Optionen scheinen nicht ausreichend. Thema Diagnose: alles was man hört ist immer, dass es zu spät ist. Aber wie kann das sein? Sollten unsere Geräte nicht mittlerweile so gut sein, dass Krebs frühzeitig erkannt und adäquat therapiert werden kann?
Aber die Entwicklung von neuen Medikamenten ist unglaublich lang und mit vielen Niederlagen verbunden. Daher scheint es mir viel sinnvoller die 1,5Mrd. € so zu investieren, dass jedes Kind auf der Welt Zugang zu frischem und sauberen Wasser hat und nicht hungern muss. Das wäre mir eine Freude.
Forschung passiert überall und zu jeder Zeit. Regelmäßig finden große Kongresse statt und Wissenschaftler aus aller Welt tauschen sich aus. Sie überlegen was sie noch tun können um Krankheiten besser therapieren oder gar vermeiden zu können. Sie überlegen wie sie auch junge Menschen für die Forschung begeistern können um den Nachwuchs in der Forschung zu sichern. Die Regierungen der Welt subventioniert zahlreiche Forschungsprojekte und es gibt dutzende Stipendien die es jungen Menschen erleichtern soll, den langen Weg des „Wie ich ein Forscher werde“ zu gehen. Wir alle leben auf diesen einen Planeten und wir alle sollten ein Interesse daran haben diesen Planeten lange gesund bewohnen zu können. Das bedeutet eine Aufmerksamkeit hin zum Umweltschutz und die Aufmerksamkeit hin zur eigenen Gesundheit. Haben Sie heute schon etwas Gutes für sich oder einen anderen getan?