Zu den rheumatischen Erkrankungen zählen zahlreiche verschiedene Diagnosen, die die Lebensqualität der Betroffenen teils erheblich beeinflussen. Zu ihnen gehört auch Morbus Bechterew. Was hinter dieser Erkrankung steckt und warum sie so tückisch ist, erfahren Sie hier.
Morbus Bechterew ist nach der rheumatoiden Arthritis die zweithäufigste entzündlich rheumatische Erkrankung. Sie wird auch ankylosierende Spondylitis (AS) genannt. Der Name Morbus Bechterew ist nur hierzulande gebräuchlich. „Morbus“ bedeutet Erkrankung und „Bechterew“ stammt von dem russischen Neurologen Wladimir Bechterew. Er hat die Krankheit aber nicht entdeckt, sondern Ende des 19. Jahrhunderts eine in Deutschland besonders bekannt gewordene Beschreibung verfasst.
Wer erkrankt an Morbus Bechterew?
In Mitteleuropa sind gemäß Schätzungen etwa 0,5% der Bevölkerung von Morbus Bechterew betroffen, also ca. 400.000 Deutsche. Diese Zahlen schließen noch nicht diagnostizierte Fälle mit ein. Männer sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Es wird davon ausgegangen, dass die Erkrankung bei Frauen einfach seltener erkannt wird. In der Regel beginnt Morbus Bechterew zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr.
Die Ursache ist bisher weitgehend unbekannt. Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung, das Immunsystem richtet sich also gegen körpereigene Zellen. Die meisten Betroffenen tragen das Erbmerkmal HLA-B27 in sich, was eine gewisse erbliche Veranlagung vermuten lässt. Als wahrscheinlicher Auslöser gilt das Zusammenspiel dieser erblichen Veranlagung und einem Infekt der Verdauungs- oder Harnwege. Mehr als 90% der Betroffenen tragen das Merkmal HLA-B27 in sich. In Mitteleuropa weisen nur etwa 8% dieses Merkmal auf. 5% von ihnen erkranken an Morbus Bechterew. Dass jemand das Erbmerkmal trägt bedeutet also nicht, dass er an Morbus Bechterew erkrankt.
Was passiert bei Morbus Bechterew im Körper?
Morbus Bechterew führt durch einen Entzündungsprozess zu einer Verknöcherung der Wirbelsäule. Dieser Prozess beginnt in den Kreuzdarmbeingelenken und breitet sich im Verlauf über die gesamte Wirbelsäule aus. Betroffen sind alle Strukturen der Gelenke: Kapsel, Bänder, Sehnen, Bandscheiben und die Gelenkflüssigkeit. Durch die Verknöcherung verbinden sich benachbarte Wirbelkörper – die Wirbelsäule versteift zunehmend in einer gebeugten Haltung. Gleichzeitig verändert sich die Form der Wirbelkörper, sodass die Wirbelsäule im Spätstadium einem Bambusstab gleicht. Bei 30 bis 40% der Betroffenen sind es im weiteren Verlauf neben den Kreuzdarmbeingelenken und der Wirbelsäule auch Extremitätengelenke oder bestimmte Organe, vor allem die Augen, betroffen.
Der Verknöcherungsprozess löst das Leitsymptom des Morbus Bechterew aus, den entzündlichen Rückenschmerz. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er sich in Ruhe verstärkt und bei Bewegung bessert. Hinzu kommt eine Morgensteifigkeit von mindestens 30 Minuten und ein wechselseitiger Gesäßschmerz.
Verlauf und Ausmaß der Erkrankung sind bei jedem Betroffenen sehr unterschiedlich. In der Regel verläuft Morbus Bechterew chronisch progredient. Das heißt, dass die Symptome lebenslang stärker werden. Diese Verstärkung der Symptome tritt meist schubweise auf.
Mithilfe des BASDAI-Scores (Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index) kann die Krankheitsaktivität bestimmt werden. Dazu werden die Bereiche Müdigkeit/ Erschöpfung, Schmerzen der Wirbelsäule und der Extremitätengelenke sowie die Morgensteifigkeit beurteilt.
Warum wird Morbus Bechterew meist erst sehr spät erkannt?
Da Morbus Bechterew schleichend beginnt, ist die Erkrankung anfangs nicht leicht zu diagnostizieren. Für eine eindeutige Diagnose muss nämlich eine entzündliche Veränderung der Kreuzdarmbeingelenke radiologisch sichtbar sein. Dies ist jedoch häufig erst nach mehreren Jahren der Fall, sodass bei den meisten Betroffenen von den ersten Symptomen bis zur Diagnose 5 bis 10 Jahre vergehen. Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis ist kein Rheumafaktor im Blut nachweisbar. Wie oben bereits beschrieben, ist auch der Nachweis des Erbmerkmals HLA-B27 ist kein eindeutiger Hinweis auf eine Erkrankung.
Es ist also wichtig, etwaige Symptome frühzeitig und intensiv ärztlich abklären zu lassen, um gegebenenfalls frühestmöglich eine Behandlung einleiten zu können. Dafür zuständig sind Orthopäd:innen oder Rheumatolog:innen. Je früher die Erkrankung entdeckt wird, desto erfolgreicher kann einer Versteifung der Wirbelsäule entgegengewirkt werden.
Quellenangaben
- Bühren, V., Josten, C. (2013). Chirurgie der verletzten Wirbelsäule. Berlin Heidelberg: Springer. S. 366.
- DVMB – Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew e. V. (o. J.). Verfügbar unter: Häufig gestellte Fragen.
- DVMB – Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew e. V. (o. J.). Verfügbar unter: Individuelle Therapie.
- Ebner, K.-M., et al. (2023). Axiale und periphere Spondyloarthritis. Journal für Mineralstoffwechsel & Muskuloskelettale Erkrankungen, 30(1), 17–23.